Wald

Mit einem leicht genervten Seufzer verschwand er in Richtung Stallungen. Was sollte er sich denn für ein Pferd aussuchen. Die Tiere würden ihn sicherlich nicht mögen, also konnte er es eigentlich gleich aufgeben.
Neugieirig ging er in den Stall hinein und ignorierte die stinkende Luft im Inneren. Aus einzlenen Kuppeln kamen nun Pferdeköpfe heraus, welche ihn neugierig musterten. Langsam schreitete er durch den Gang und streckte jedem Pferd seine Hand hin. Die meisten wichen einfach nur wieder in ihre Stallungen zurück, andere schnupperten nur, liesen sich aber nicht streicheln und ein paar versuchten sogar ihn zu beißen.
Dann fand er aber doch noch eines, fast am ende, welche sich von ihm streicheln lies. Es beäugte ihn neugierig und nach kurzer Zeit, in der er zaghaft über ihre Nüstern gestreichelt hatte, schnaubte sie kurz und rieb dann ihre Schnauze an seiner Hand. An einem Schild, welches am Türchen befestigt war, konnte er den Namen lesen. "Kura... schöner Name. Wärst du so nett mich als deinen Reiter zu akzeptieren?" fragte er das Pferd, und als er zurücktrat und anscheinend darauf wartete, herausgelassen zu werden, strahlte er bis über beide Ohren.

Sven blieb am Gatter der Freilaufkoppel zurück und wartete mit Shio darauf, dass Ketsumo mit seinem gewählten Pferd nach draußen kam. Hoffentlich wählte er nicht Kura. Diese dickköpfige Stute hätte selbst seiner Mutter einmal beinahe das Genick gebrochen. Und sie dann wiederum dem Pferd, was wohl dazu geführt hatte, dass das Tier Frauen nicht sonderlich gut leiden konnte. Doch das Schicksal musste eine grausame Art haben, ihm Streiche zu spielen, denn tatsächlich tauchte plötzlich Ketsumo auf, das schwarzweiße Pferd an seiner Seite.
"Wieso suchst du dir denn nicht dein Pferd aus?", fragte Sven plötzlich die junge Frau neben ihm, die sich nicht von der Stelle gerührt hatte. Sie sah irgendwie nervös aus, doch das bemerkte der Jäger erst jetzt, da er zuvor den Blickkontakt mit ihr vermieden hatte. Jetzt ließ der Schreck über ihr Aussehen schon wieder nach.
"Oh ähm... i-ich warte, bis du mit Ketsumo fertig bist... dann kommen wir uns nicht in die Quere, anschließend machst du mit mir weiter, das geht doch auch", schlug Shio hastig vor und versuchte, ihre Gefühle zu verstecken. Denn jetzt, wo sie genau neben einem Pferd, und damit ausgerechnet Zephyr stand, bekam sie es mit der Angst zu tun.
"Ah, du hast da ja jemand ganz Besonderen rausgesucht!", empfing Sven Ketsumo und Kura, die bereits wütend in Shios Richtung schnaubte. Und das trug nicht gerade dazu bei, dass ihre Angst abnahm. Doch noch konnte sie es verbergen. Noch.

Stolz kam er mit Kura heraus, und sah breit grinsend zu den beiden. "Ich nehme Kura hier. Sie scheint die Einzige zu sein, die mich wirklich akzeptiert." sagte er und das Pferd stupste ihn sanft an der Wange an, was ihn leicht auflachen lies. "ja ich lern gleich auf dir zu reiten, glaub mir, wenn ich erst anfange, wünschst du dir, dass ich es nicht getan hätte." sagte er zu dem Pferd und lies sich dann von Sven zeigen, wie man ein Pferd sattelte und ihm das Zaumzeug richtig anlegte. Dann stieg er in den Steigbügel und mit Schwung schwang er sich über den Rücken des Pferdes.
Sein Problem war nur, dass er zuviel schwung hatte, und er somit den Steigbügel verfehlte, sodass es ihn gleich wieder richtung Boden beförderte. Gras ausspuckend und mit Erde im Gesicht grinste er breit und versuchte es noch einmal. Diesmal kam er nicht wirklich auf den Rücken des Pferdes und Kura schien sich einen spaß daraus zu machen immer dann ein paar Schritte vorwärts zu gehen, wenn er gerade aufspringen wollte. Doch nach ein paar Minuten schaffte er es doch und saß nun im Sattel. Das Gesicht zwar Dreckverschmiert und immer noch den Geschmack von Gras im Mund aber breit grinsend vor Stolz, dass er es doch noch geschafft hatte.
"Na los Shio! Such dir auch eins aus. Aber pass auf ein paar beißen." grinste er sie an und streichelte dann den Hals von Kura.

Sven nickte anerkennend, als es Ketsumo ( endlich ) auf Kuras Rücken geschafft hatte. Shio sah zu dem jungen Mann hinauf und lächelte ziehmlich verunsichert. Mehr machte sie nicht, in der Hoffnung, einfach übergangen zu werden. Sven allerdings machte diesem Traum ein jähes Ende. Er nahm Kuras Zügel in die Hand, korrigierte den Sitz des Sattels, der durch Ketsumos Turnerei etwas verrutscht war und sagte dann: "Das ist schonmal gar nicht so schlecht. Sie muss erst ein Gefühl für dich entwickeln. So ist fast jedes Pferd. Es testet anfangs aus, wie weit es bei seinem Reiter gehen kann, und wenn man sich da nicht durchsetzen kann, wird man nie mit dem Pferd reiten können, da es einem nur auf der Nase herumtanzt. Na komm, Shio. Jetzt kümmern wir uns gemeinsam um dein Pferd. Ketsumo, drück deine Schenkel leicht gegen ihre Seite und halt deinen Rücken gerade, halt dich am Ansatz ihrer Mähne fest und halt dich ruhig. In den Stall führe ich sie, damit ich dabei sein kann, wenn Shio ihr Pferd aussucht. Und ich dich und unsere Zimtzicke hier nicht allein lassen will."
Mit diesen Worten zog er sanft an den Zügeln, Shio setzte sich mechanisch in Bewegung und gemeinsam trotteten sie nun zum Stall. Dort angekommen, schaffte es die junge Frau schon kaum mehr, sich zur Bewegung zu zwingen. Ihre Beine wurden starr, sie biss sich immer wieder auf die Unterlippe, doch Sven gab ihr einen leichten Stupser zwischen die Schulter, worauf sie zu den Gattern hinein stolperte. Die Pferde spürten, dass Besuch gekommen war und aufgeregt wiehrten einige von ihnen, worauf Shio sofort zusammenzuckte.
"Na los, das wird schon", munterte Sven sie auf, doch damit scheiterte er zum ersten Mal deutlich. Doch sie zwang sich trotzdem dazu, zu den einzelnen Tieren zu gehen und sich wie angewiesen beschnuppern zu lassen. Bereits das erste pferd schnaubte zufrieden und drückte die Schnauze gegen Shios Hand, die sie schnell zurückzog, weil sie kurz nicht an die anderen Beiden gedacht hatte.
"Ähm...ein anderes...", nuschelte sie und ging daraufhin von einem Stall zum anderen. Jedesmal war die Reaktion die Gleiche. Jedes der Pferde schien Shio sofort zu mögen, doch immer wieder erschrak sie, wenn irgendein Stück des Tieres irgendein Stück von ihr berührte.
"Ähm....ich.... ich glaube, erstmal sollte das Ketsumo lernen. Ich weiß noch nicht, w-welches ich nehmen will", versuchte sie, zu erklären und zum ersten Mal konnte man Verständnis in Svens Augen sehen, der plötzlich nickte und ihr einen wissenden Blick zuwarf.
"Hm, geht in Ordnung. Man sollte sich nicht hetzen in der Sache. Also Ketsumo, dann machen wir mit dir weiter. Und Kura, hör auf damit", kommentierte Sven das Schnauben und Grunzen der Stute, als Shio an ihr vorbei ging, um den Stall so schnell wie möglich zu verlassen.

Ketsumo drückte so sanft wie möglich seine Füße in die seite und als Kura lostrabte, war er erst überglücklich, doch dann sah er, dass es eigentlich gar nicht sein verdienst gewesen war, sondern der von Sven, welcher das Tier einfach an den Zügeln genommen hatte und nun hinter sich herzog. Es war etwas wackelig auf dem Rücken eines Pferdes zu sitzen, doch bereits nach den paar Metern in den Stall hinein, bekam er ein leichtes Gefühl dafür und klammerte sich nicht mehr allzu fest in die Mähne der Stute.
Was ihn dann aber irritierte, war Shio´s Reaktion auf das Anstupsen des Pferdes. Sie zuckte zurück und das bei jedem der Tiere. Auch wenn er meist, etwas länger brauchte um etwas zu verstehen, so wusste er, was ihr Problem war und sogleich sank seine Laune wieder. Also würde ohl doch nichts aus seiner Idee werden.
Ein schwermütiger Seufzer war die Antwort auf Shio´s Vorschlag und so lies er sich auf Kuras Rücken nach draußen tragen, wo die Sonne ihn wieder umschmeichelte. Hier war es Herbst, das bemerkte er zwar erst jetzt aber es störte ihn auch nicht weiter, denn wer wusste schon wo sie hier gelandet waren, und ob die Zeit hier überhaupt genauso verging wie bei ihnen zu Hause.
Etwas enttäuscht darüber, dass Shio anscheinend Angst vor den Pferden hatte und er sie somit wohl schlecht mit seiner Idee konfrontieren konnte sagte er: "Naja, ich denke es ist nicht wirklich spannend mir beim lernen zuzusehen, du kannst ja derstweilen baden gehen oder so..." man hörte förmlich heraus, wie deprimiert er darüber war, dass nun aus seiner Idee wohl doch nicht werden würde.

In Shio meldete sich plötzlich ein kleines, aber umso gemeineres Stimmchen, dass sich Trotz nannte. Fing der Junge jetzt schon wieder mit Baden an? Ihr Gesichtsausdruck änderte sich von verschüchtert zu entschlossen und sie machte auf dem Absatz kehrt, sodass Sven nur noch zurückschauen konnte um zu sehen, was sie soeben tat. Sie verschwand vielleicht eine Minute in der alten Scheune, nur um sofort wieder herauszukommen. Die Augen des Hochländers weiteten sich, als der weiße Schimmel neben ihr hertrottete. Und sie musste noch nicht einmal die Zügel halten.
"Ohje... da hat ein Mann eben seine Eier verloren", kommentierte Sven, als er die angelegten Ohren und den halb gesenkten Kopf des Tieres sah. Shio hatte nichts weiter getan als hineinzugehen, das Pferd mit ganzer Überwindung zu streicheln und schon war es passiert. Das Pferd hatte sich quasi in die Frau verliebt, spürte aber die Wut und das Beleidigte in ihr, worauf er lieber auf Nummer Sicher ging und kleinlaut hintendrein schritt.
"Nein, ich habe aber keine Lust, zu baden. So, kö-können wir dann anfangen?", fragte Shio herausfordernd, worauf Sven hüstelte und rasch woanders hinsah. Sie ähnelte seiner Schwester langsam immer mehr.

Kopfschüttelnd sah er ihr nach und nicht einmal erschrocken sah er dann den Hengst an, welcher wie ein geprügelter Hund neben ihr herlief. Ein Seufzer kam mal wieder von seiner seite. "Du musst dich nicht dazu zwingen. Selbst ich habe begriffen, dass du Angst vor diesen Tieren hast. Nur um mir was zu beweisen oder um die beleidigte zu spielen musst du dich nicht quälen...das wärst nicht du.... sondern eher ich..." murmelte er immer leiser werdend und sah dann zur Stute, auf der er saß.
Langsam beugte er sich vor und legte sich nun ganz auf sie. Seine Augenlieder schlossen sich wie von selbst und er streichelte den Hals des tieres. "Ich bin Ketsumo und ich hoffe wir werden gut miteinander auskommen. Das Einzige was du eigentlich tun musst, ist, mir meine dummheit zu verzeihen, welche ich sicherlich bald wieder an den Tag legen werde. Achja. Und mach Shio das Leben nicht zur Hölle. Außer natürlich wenn sie so drauf ist wie jetzt, dann kannst du machen was du willst. Das macht sie auch immer bei mir, wenn ich so drauf bin."

Shio antwortete nicht auf Ketsumos Worte, sondern stieg in den Sattel, so wie Sven es dem Jungen beigebracht hatte. Sie hatte es schon oft genug in Filmen gesehen und Büchern gelesen, da sie an sich sogar ein riesiger Pferdefreund war. Doch es war etwas ganz anderes, direkt vor diesem Tier zu stehen. Diese Größe, diese Ausstrahlung, das alles schien nicht gerade im Einklang mit Shio zu sein, die sich zwar wie erwartet dazu zwang, doch ein wenig Stolz hatte sie auch. Sie würde Ketsumo nicht Recht behalten lassen, auch wenn sie spürte, dass er die Wahrheit kannte. Sven unterdessen kratzte sich am Hinterkopf und seufzte; das wurde allmählich typisch für ihn, wenn er gerade nachdachte.
"Na gut, dann fangen wir mit etwas Einfachem an. Wenn ihr wollt, dass sich das Pferd nach vorne bewegt, drückt ihm sanft oder kräftiger, je nachdem wie schnell es reiten soll, die Fersen in die Seiten. Aber vorsichtig, wenn ihr es zu stark macht und das Tier euch noch nicht genug vertraut, könnt ihr euch denken, was passiert. Jup, so würde ich es auch machen, Ketsumo. Zeigt ihr oder ihm, wer ihr seid und dass ihr euch mit dem Tier gut verstehen wollt. Shio probier es du mal, während Ketsumo ein paar Runden durch die Koppeln läuft. Wenn du links oder rechts reiten möchtest, lehne deinen Körper sanft in die gewünschte Richtung. Die Zügel lass erstmal in Ruhe, es soll freiwillig deinen Anweisungen folgen. Wenn du es zwingst, geht das Ganze in die Hose, also fang mal an. Shio? Hast du ge..."
"Ja", antwortete Shio nur und rang sich dazu durch, ihre Hände auf den Hals des Hengstes zu legen, der nervös wurde aber gehorsam stehenblieb.
"Hm....hey.... ich heiße Shio und.... und möchte gerne mit dir reiten....geht das...?", murmelte sie mit einer Mischung aus Schüchternheit und Überwindung, was sich etwas hoch anhörte. Doch es schien zu wirken, denn das Pferd schaute nicht mehr so apathisch und schnaubte kaum noch. Die Ohren legten sich auczh nicht dauernd an. Ketsumos Stute unterdessen hatte diesen schon längst in ihr Herz geschlossen. Sie wieherte leise, als er zu ihr gesprochen hatte und schüttelte den Kopf, um zwei lästige Fliegen loszuwerden.

"Oh man..." brummelte er nur und sties dann Kura seine Fersen in die Seiten, passte aber auf, dass es nicht zu schnell vorwärts ging oder ihr gar weh tat. Seinen Anweisungen folgend, bekam er erst ebim langsamen dahinreiten mit ihr ein Gefühl dafür, wie es sich zu halten hatte auf dem Rücken und nach ein paar Runden ging er schon in leichten Trab über.
"Kura? Ich denke, wir können nun etwas schneller reiten und uns so richtig schön den Wind um die Nase wehen lassen, was hältst du davon?" Das Pferd wieherte fröhlich und stürmte dann so schnell los, dass Ketsumo sich sofort an den Körper des Tieres presste. Die Stute wusste selbst, wie sie hier laufen musste und nach schier unzähligen Runden, hatte der Junge das richtige Gefühl gefundenund hielt sich nun nur noch normal an der Mähne des Pferdes fest, anstatt sich panisch an sie zu klammern.
"Wuhu!" schrie er und ein fröhliches Wiehern von Kura folgte gleich darauf, als sie einen kurzen Sprung machte. Schnell gallopierten sie über die Koppel und diesmal nicht nur im Kreis sondern kreuz und quer und je mehr er ritt und je mehr Freiheit er Kura gab, desto mehr Spaß machte es ihm.

Ketsumo und die Stute, welche den Ruf eines ziehmlich eigensinnigen Tieres besaß, tobten gemeinsam wie ein Herz und eine Seele durch die Koppel, woraufhin einige Gutsbewohner von ihrer Arbeit absahen und neugierig das Geschehen beobachtet hatten. Die Pause währte aber nicht lange, denn Svens Mutter rief sofort wieder zur Pflicht auf. Shio unterdessen tat sich um einiges schwerer. Sie redete dem Hengst zu, drückte sanft in die Flanke des Tieres, woruaf dieses zögernd begann, loszutrotten. Es dauerte lange, bis der Schimmel etwas schneller wurde und bald am Zaun der Koppel entlangritt. Ketsumo unterdessen fühlte sich bereits jetzt schon sehr selbstsicher im Sattel. Es war ja im Grunde genommen dem Motorradfahren gar nicht so unähnlich. Selbe Sitzposition, gleiches Lenkverhalten. Diese Sicherheit im Umgang machte sich jetzt offensichtlich bezahlt und die Beiden ritten weiter im Galopp über die Wiese, wobei Kura schon bald anfing, immer dichter an dem weißen Hengst vorbeizureiten, der das aber ignorierte und sich anstrengte, Shios langsamen Befehlen zu folgen. Sie war zwar zaghaft, aber sicherer und mutiger, als man hätte vermuten können.
"Ja, das macht ihr klasse! Ketsumo, etwas langsamer, du scheuchst noch den ganzen Rest auf!", lachte Sven und lehnte sich gegen die Futterkrippe, aus der sein Zephyr in aller Seelenruhe fraß. Ihn kümmerte der Radau nicht, der hinter ihm stattfand. Solange sein Herr bei ihm war und keines der Pferde ihm zu nahe kam, war alles in bester Ordnung.

"Shio ist selbst schuld!" schrie er ihm nur zu und raste dann weiter kreuz und quer über die Wiese. Es machte ihm richtig Spaß mit dem Pferd einfach so dahinzureiten und er konnte sich kaum etwas schöneres vorstellen. Immer wieder bemerkte er, dass sie ziemlich dicht an Shio vorbeikamen und als sie ein weiteres mal dicht an ihr vorbeikamen, streckte er ihr grinsend die Zunge raus und rief "Lahme Ente!!"
Dann war er auch schon fröhlich jauchzend weitergeritten und anscheinend hatte Kura diese Aktion von ihm gefallen, denn sie schnaubte kurz und rannte dann noch etwas schneller. Bis jetzte merkte keiner von beiden, dass der jeweils andere müde wurde, oder sonst etwas nur Ketsumo fiel auf, dass ihm langsam sein hintern weh tat von dem vielen auf und ab.

Shio hörte auf, die Seiten des Schimmels zu drücken, ließ das Pferd so stehenbleiben und sah Ketsumo hinterher. In diesem Moment dachte sie zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, folgendes Wort in vollem Ernst: Idiot. Sicher, sie war im Endeffekt selbst schuld, dass sie sich auf ein Pferd zwang, auch wenn sie wusste, dass sie noch nicht so weit war. Doch von Ketsumo auch noch die Schuld zugeschoben zu bekommen und dann auch noch gehänselt zu werden, auch wenn es nicht bösartig gemeint war. In dieser Situation verletzte es Shio. Sie ließ den Kopf hängen, saß etwas unbeholfen ab und wies Sven mit einem Kopfschütteln ab, als er ihr helfen wollte.
"N-nein... das geht schon", hauchte sie, da sie aus genannten Gründen ihre Tränen nicht mehr lange zurückhalten konnte.
"Idiot...", rutschte es ihr plötzlich leise heraus und Sven zog die Augenbrauen zusammen.
"Ist alles in Ordnung mit..."
"Idiot!!!!", schrie sie ohne Vorwarnung laut, als Ketsumo wieder an ihr vorbeiritt und sprang über den Zaun nach außen. Sofort rannte sie davon, wobei dadurch einige Tränen hinter ihr aufblitzten, da sie ziehmlich schnell Reißaus nahm. Sven sah ihr nach und kratzte sich am Hinterkopf.
"Eiei.... ich glaube, du hast da etwas übertrieben, Junge", brummte er kopfschüttelnd, sodass Ketsumo das aber hören könnte. Keine Kritik oder Beleidigung. Nur Feststellung.

Die Runde war bald vollendet und er hörte nur noch, wie sie ihm die Beleidigung zuwarf und dann davon rannte. Hatte er da Tränen glitzern sehen. "Scheiße!" schrie er und sprang einfach von Kura herunter. Es hörte sich zwar alles andere als gut an, als er auf dem Boden aufkam und mal wieder Gras und Erde zu Fressen bekam, aber in dem Moment, waren ihm selbst die Schmerzen egal.
"SHIO! WARTE!" schrie er ihr hinterher und laut fluchend fing er nun auch an zu rennen. Das Problem war nur, dass er sie nicht einmal mehr sah, sondern nur die Richtung in etwa erahnen konnte in die sie gerannt war. Ein paar der Leute konnten ihm sagen, wohin sie gelaufen war, doch bald schon hatte er sich auf dem rieigen Gehöft verlaufen und die Leute hier sahen ihn nur verstört an und schüttelten die Köpfe, als er sie nach Shio fragte.
"SHIO?! WO BIST DU?!? ES TUT MIR LEID! HÖRST DU?!? ES TUT MIR LEID!" schrie er und wiederholte dann immer nur wieder ihren Namen, während er irgendwo auf dem Gehöft herumirrte. Zwar sah er nun ein wenig mehr von der Gegend, aber das half ihm recht wenig weiter, da er shio nicht fand.

Shio war in den Kornspeicher gelaufen. Das riesige Lager, wo Heuballen und Weizenrollen lagen, waren ein perfektes Versteck, um sich zurückzuziehen. Über die Leiter war sie nach oben in den Dachstuhl geklettert, wo sie sich in eine Ecke setzte und sich erst einmal ausweinte. Der Grund für diese Trauer war nicht etwa der Grund, was Ketsumo gesagt hatte. Es ging darum, DASS er etwas gesagt hatte. Sie kannte ihn als gutmütigen und etwas tollpatischigen, aber mutigen und aufopferungsbereiten Kerl an, der es Wert war, dass man ihm sein Leben anvertrauen wollte. Doch diese hämische und spöttische Seite, selbst wenn sie im Guten aufgetreten war, hatte sie so sehr verstört, dass sie nichts anderes mehr gewusst hatte, als wegzulaufen. Das, was sie bis jetzt noch nie getan hatte. Mit diesen fremden Gefühlen in einer ihr fremden Welt betrachtete sie mit verweinten Augen das Licht an der Holzwand, dass durch die Dachluke in den First hineinschien und den Raum in ein goldenes Licht hüllte. Es roch nach Heu und Stroh, draußen waren die Geräusche der Tiere und Arbeitenden zu hören, was sich zu einem beruhigenden Summen vermischte. Da hörte sie Ketsumo, wie er nach ihr schrie und sich entschuldigte. Kurz war sie versucht, sofort aufzuspringen und ihm zu verzeihen, doch dieses Mal würde sie nicht so einfach nachgeben. Er sollte merken, dass er etwas falsch gemacht hatte, selbst wenn er es nicht böse meinte. Sie würde sich hier fürs Erste nicht weg bewegen.

Als Ketsumo einen Eingang ins Haus fand ging er dort hinein und schrie dort weiterhin nach ihr. Es war ihm egal, ob es jemanden störte, er schrie einfach weiterhin nach ihr und öffnete jede Tür. Immer kam etwas anderes geflogen. Einmal eine Suppenkelle in übergröße, dann war es ein Holzschemel a, Ende traf ihn sogar ein Badezuber mitten ins Gesicht, aber es hielt ihn nicht davon ab, weiterhin nach ihr zu suchen.
Als er das ganze Haus durchsucht hatte und sein gesicht mehr ramponiert aussah, als wäre er mal wieder vom Pferd gefallen, rannte er wieder nach draußen und begann nun die einzelnen Ställe zu durchsuchen. Draußen ging langsam die Sonne unter, aber er hörte nich auf nach ihr zu rufen. Seine Kehle war bereits komplett rau und seine Stimme war um einiges leiser geworden, aber trotzdem rief er weiterhin nach ihr und suchte weiter, selbst im Maisfeld verirrte er sich irgendwann und war erst wieder beim Hof zurück, als es kurz vor Abend war und die Sonne bereits halb hinter dem Horizont verschwunden war.
Seine Beine taten weh und sein Hals brannte wie Feuer. "Shio! Shio es...*hust* es tut mir *hust hust* leid!" brachte zusammen, ehe er wieder husten musste und es diesmal schwerer hatte wieder zu atem zu kommen. Doch trotzdem rannte er weiter und schrie immer wieder ihren Namen. Er würde sie finden und sich bei ihr entschuldigen. Er wollte nicht dass sie sich von ihm verletzt fühlte und vor allem wollte er nicht, dass sie einsam war. Hier in dieser fremden welt und auch sonst nirgendwo.

Shio hörte, wie er immer wieder seinen Namen rief. Die Nacht legte sich allmählich über das Land, die Sonne versank langsam am Horizont und tauchte den Gutshof in ein blutiges Licht, als sie sich traute, einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Dort unten im Hof stand tatsächlich Ketsumo, ziehmlich ramponiert und trotzdem dauerhaft ihren Namen rufend. Er meinte es ernst. Mehr als das, wenn so etwas denn möglich war und sie überlegte bereits, was sie zu ihm sagen könnte. Einfach nur ein "Hier, da bin ich, alles vergeben und vergessen" wäre unverschämt. Da musste etwas anderes her. Sie dachte nach, spürte jedesmal, wenn sie ihren Namen hörte, einen heißen Stich in ihrem Herzen. Das schlechte Gewissen und der Selbsthass machten sich breit. Wieso hatte sie so überreagiert, wieso nur, wenn sie doch eigentlich wusste, wie ernst er ihre Reaktionen nahm. Niemals hatte Shio vorgesehen, ihm länger als ein paar Stunden aus den Weg zu gehen, um ein wenig für sich zu sein und dann wieder zu ihm zu stoßen, als sei nichts gewesen. Doch diesmal, das wusste sie, waren sie beide zu weit gegangen, und diese Sache musste jetzt in Ordnung gebracht werden. Sie wusste, was zu tun war. Sogar auf diese innere Blockade, auf die sie traf... sie durchbrach sie einfach. Shio war fest entschlossen, also stand sie endlich auf und kletterte die Leiter hinunter wieder ins Erdgeschoss zurück. Zögernd und so leise wie nur irgendwie möglich schob sie das Scheunentor einen Spalt breit auf. Ketsumo stand mit dem Rücken zu ihr und schrie heiser geworden weiter. Das musste jetzt aufhören, dieser Ton zerriss ihr im wahrsten Sinne des Wortes das Herz. Dank ihrer Magie bewegte sie sich lautlos aus dem Schatten der Scheune, ging auf ihn zu und in dem Moment, wo die Sonne unterging, blieb sie direkt hinter ihm stehen. Sie holte Luft, zählte schnell von 500 auf 0 und biss sich ein letztes Mal auf die Unterlippe.
"Ähm....Ketsu....", murmelte sie, packte ihn plötzlich an der Schulter, drehte ihn herum und zog sich so schnell zu ihm, dass er gar nicht wusste wie ihm geschah. Und als die Sonne ihre letzten Strahlen in die Welt schickte, beleuchtete sie die Lippen zweier Menschen, wie sie aufeinander trafen.

Immer wieder schrie er ihren Namen und wusste langsam aber sicher nicht einmal mehr, wieso er immer wieder ihren Namen rief. "Ich hab sie aufgezogen na und?... sie war selbst schuld, hat sich doch selbst dazu..." weiter kam er nicht mit seinem Gegrummel, da er auf einmal umgedreht wurde und sofort weiche Lippen auf den seinen spürte. Zuerst war er erschrocken, doch als er sah, wer es war, der ihn da so zärtlich küsste, erwiederte er den Kuss von ihr und schloss zitternd seine arme um sie.
Erst jetzt merkte er, dass er keine Kraft mehr hatte und das er vollkommen fertig war. Seine Arme verloren allmählich an Kraft und er spürte auch, wie seine Beine langsam nachgaben und ehe er sichs versah,lehnte er sich mehr schlecht als recht an sie. Mit letzten anstrengungen und tränen der freude in den augen nuschelte er heißer. "Es tut mir leid shio..." und dann küsste er sie noch einmal sanft auf ihre Lippen, ehe er die Augen schloss und zu wenig Kraft hatte sie erneut zu öffnen.

Shio erschrak zunächst fürchterlich, als Ketsumo ohnmächtig gegen sie sackte. Es war ein unglaubliches Gefühl gewesen, ihn zu küssen und geküsst zu werden. Innerlich wünschte sie sich sofort noch einen Kuss, doch für die nächste Zeit würde jetzt erst einmal Ruhe einkehren. Noch waren sie ja kein Paar und das wollte sie sich eigentlich für den entscheidenden Moment aufheben, in dem er sie oder sie eher ihn fragte.
"Ketsu? He, Ketsu! Ist alles in Ordnung, sag doch was!", versuchte Shio, ihn aufzuwecken, doch er konnte sie schon längst nicht mehr hören. Sven kam soeben um die Ecke gestürmt und blieb neben den Beiden stehen.
"Was ist denn mit dem passiert?!", brummte der Hochländer, als er die zahlreichen Schrammen und Kratzer im Gesicht des Bewusstlosen entdeckte.
"Bitte, wir müssen ihn reintragen, hier erfriert er noch!", flehte sie ihn an und er hob den Jungen kurzerhand hoch, schulterte ihn vorsichtig und eilte dann mit Shio an seiner Seite ins Haupthaus nach oben ins Zimmer der zwei Gäste, wo er ihn in sein Bett legte.
"Er ist nur zu erschöpft und man hat es offenbar nicht sonderlich gemocht, wie er nach dir geschrien hat. Die Leute gehen hier früh ins Bett und brauchen ihre Ruhe", erklärte Sven kopfschüttelnd, da er sich für seine Verwandtschaft schämte. Er würde das klären und dabei hatte er das deutliche Gefühl, damit nicht allein zu sein. Shio sah nämlich alles andere als gut gelaunt aus. Oh, und wie sie mit den Leuten reden würde.
„Jeder, der ihn anfasst, bekommt es mit mir zu tun…“, flüsterte sie und hielt Ketsumos rechte Hand in beiden Händen. Sie war sich so sicher wie noch nie, dass sie ihn liebte. Aber es war noch nicht soweit. Sie spürte, dass sie innerlich noch lange nicht soweit war, ihm die Wahrheit zu sagen, dass sie ihn liebte und alles für ihn tun würde.
„Es tut mir Leid…“, brummte Sven schuldbewusst.
„Hätte ich nur ein wenig mehr darauf geachtet, wie du dich fühlst, dann hätte ich dir nie erlaubt, das Pferd zu holen und es wäre nie…“
„Nein… es ist in Ordnung“, unterbrach ihn Shio freundlich und lächelte ihn mit tränenglänzenden Augen an. Sven schluckte. Sie sah zwar aus wie seine Schwester, doch etwas rührte sich in ihm. Etwas, was er nicht erklären konnte. Ihm drehte sich der Magen um, als er sie so traurig, aber lächelnd sah.
„Ich habe dadurch etwas tun können und bekommen, was sonst vermutlich nie passiert wäre…. Danke…. Aber jetzt würde ich mich gern ein wenig ausruhen. Und er braucht sie auch. Um die Verletzungen kümmere ich mich diesmal, das bin ich ihm schuldig…“
Sven nickte und erhob sich.
„Verständlich. Gute Nacht… euch Beiden, ich werde ein wenig mit meinem Vater plaudern. Du kannst morgen mit ihm reden, glaube jedenfalls, dass du das tun möchtest…“
Shio stimmte dem zu und gleich nachdem der Hochländer den Raum verlassen hatte, holte sie eine Schale Wasser und zwei Lappen herbei, die sie in der Flüssigkeit tränkte und sie ihm auf die geschwollenen oder verkratzten Stellen in seinem Gesicht legte. Die Kühle würde zumindest die Schmerzen vorerst nehmen können.
„Danke, Ketsu…. Du hast mir die Augen geöffnet…. Ich hoffe, bald öffnest du auch meinen Mund, damit ich es dir sagen kann…“, raunte sie und drückte ihm einen letzten, sanften Kuss auf die Lippen, ehe sie damit fortfuhr, seine Kratzer und anderen Wunden zu reinigen. Sie würde nicht schlafen. Nicht bis sie sah, dass es ihm gut ging und er sie wieder angrinsen konnte, was sie so an ihm zu lieben gelernt hatte. Wie der ganze Rest, der den Chaoten von Kerl ausmachte, in den sie sich verliebt hatte… Und die Nacht zog dahin…

Es war früher Morgen als Ketsumo erwachte. Das erste was er sah waren Sonnenstrahlen, welche durchs Fenster hereinschienen und ihn blendeten. Doch als er sich langsam an das Licht gewöhnt hatte, kamen auch andere Sinne von ihm zurück. So hörte er auf einmal einen regelmäßigen Atem, dicht neben sich und fühlte die wärme um seine Hand.
Langsam richtete er sich auf und merkte, dass es Shio war, die neben ihm eingeschlafen sein musste. Sanft löste er seine Hand aus der ihren. Sein Gesicht tat nur noch leicht weh und als er die Schüssel sah, welche mit dreckigem wasser gefüllt war und an deren seite ein lappen lag, wusste er, dass Shio sich um seine Schrammen gekümmert hatte. Ein liebevolles Lächeln trat auf seine Züge und er streichelte ihr über die Wange. "Ich weis langsam nicht mehr, was ich denken soll. Zwar habe ich immer noch Angst es dir zu gestehen, aber durch jeden deiner Küsse und die Zeichen, welche ich als welche der Zuneigung sehe, lässt du diese Angst immer weiter bröckeln. Sobald wir daheim sind, werden wir Weihnachten nachfeiern, das bin ich dir durch meinen Fehler schuldig." flüsterte er ihr zu und stand dann auf und schlug die Decke zurück.
Ohne lange darüber nachzudenken, löste er so vorsichtig wie möglich die Schlaufen der Rüstung und zog seine eigenes Hemd aus. Als er ihr Oberteil auszog, warf er ihr sogleich sein Hemd über, natürliche hatte er dabei ihre Unterwäsche gesehen, aber in diesem Moment verspürte er nur dankbarkeit für sie und all die anderen Gefühle standen nun erst einmal hinten an.
Fertig ausgezogen und nur mit seinem Hemd bekleidet, legte er nun sie ins Bett, damit sie wenigstens noch ein paar Stunden in Ruhe schlafen konnte. Er würde schnell etwas zu essen besorgen gehen, da sie sicherlich Hunger haben würde, wenn sie aufwachte. So gab er ihr noch schnell einen Kuss auf die wange und flüsterte: "Bin gleich wieder zurück..." um dann so leise wie möglich aus dem Zimmer zu schleichen und sich auf den Weg in die Küche zu machen. Den Weg dorthin kannte er nun einigermasen, da die Suppenkelle einen bleibenden eindruck hinterlassen hatte, was die Beule über seinem rechten Auge bewies.

Shio öffnete langsam die Augen, als sie das Geräusch einer zugehenden Tür vernahm und spürte, wie sie in einem Bett lag. Wohlgemerkt ohne ihre Rüstung, deren schützendes Gefühl sie bereits und gerade jetzt vermisste. Sie ahnte, wer sie ausgezogen und so versorgt hatte, damit sie in Ruhe schlafen konnte und sie lächelte leicht. Sie war ihm dafür nicht einmal böse, sah es als Zeichen der Zuneigung und der Dankbarkeit, sodass sich die junge Frau umso wohliger seufzend in die Decken kuschelte. Er war sogar anständig gewesen, hatte sie nicht mehr als nötig berührt, was ihr zwar umso fremder aber dafür noch toller vorkam. Selbst wenn sie nichts dagegen tun konnte, so blieb er vernünftig und wagte es nicht, mehr zu tun als notwendig. So wartete sie in ihrem Halbschlaf, der sie einfach nicht ins Land der Träume lassen wollte. Wofür sie dankbar war, denn sonst hätte sie nicht bemerkt, wie er wieder zu ihr zurückkehrte. Und das wollte Shio auf keinen Fall verpassen.

Währenddessen trottete der noch etwas angeschlagene aber schon viel gesünder wirkende Ketsumo Richtung Küche, die er ja jetzt schon bestens kannte. Eine alte, knarzige Tür aus dickem Eichenholz verschloss den Eingang in das Reich der rüstigen Köchin, welches er nun betrat. Es war wie vorhin noch ein riesiger Raum, mit unzähligen Tischen und Feuerstellen, die mit Gemüse, aufgehangenem Fleisch und anderen Utensilien überfüllt waren. Doch nun war dort niemand mehr, wo sonst mindestens zwanzig Leute eifrig gearbeitet hatten. Im nördlichsten Teil der Küche stand der riesige Kochtopf, in dem Kura locker Platz gehabt hätte. Etwas brodelte noch darin, offenbar der Rest eines Eintopfes. Tatsächlich handelte es sich um so eine Mahlzeit, wobei lockend ab und an Gemüsestücke oder Fleischbrocken auftauchten, ehe sie in der Köstlichkeit wieder versanken. Ketsumo ahnte es nicht, doch er wurde mal wieder beobachtet. Ein Augenpaar leuchtete in der Dunkelheit auf und geschützt vom Schatten des Tisches in einem ohnehin dunklen Eck tropfte milchiger Sabber auf den Boden. Reißzähne blitzten auf, doch noch ahnte Ketsumo nichts von der Gefahr, die ihn da betrachtete und einzuschätzen versuchte. Doch kaum war die Tür hinter Ketsumo leise aber knarzend ins Schloss gefallen, brach das Ungeheuer aus seinem Schutz und kläffte laut. Ein rüstiger Pitbull war es, der mit seinen krummen Beinen und dem wedelnden, kurzen Stummelschwanz hervorgebrochen kam und auszog, den Störenfried zu vernichten, der es gewagt hatte, in sein Territorium einzudringen. Das würde allerdings etwas schwierig werden, denn die Küche hatte dem Hund nicht allzu gut getan. Der Kläffer war deutlich übergewichtig und dementsprechend schnell. Was also im Endeffekt die gleiche Wirkung zeigte, als hätte ein Chihuahua beschlossen, einen Schäferhund zu töten.

Als die Tür knarzend ins Schloss fiel erschrak Ketsumo über das plötzliche Bellen am anderen Ende der Küche. Er war schon drauf und dran wieder nach draußen zu stürmen, als er sah, um welchen "gefährlichen" Hund es sich handelte. Seelenruhig ging er zu einem Regal und sah sich um, bis er einen Löffel und eine Schüssel gefunden hatte. Zwar knurrte sein Magen auch, aber im Moment war Shio wichtiger, er konnte sich nachher immer noch etwas holen.
Mit etwas Luftmagie, hielt er eine etwa Kniehohe wand aufrecht, welche sich um ihn geschlossen hatte, sodass der fette Köter nicht zu ihm kam.
"Man sieht sich wieder irgendwann mein kleines Dickerchen!" sagte er noch grinsend zu dem Hund um dann die Tür vor seiner Nase wieder ins Schloss fallen zu lassen. Fröhlich summend, marschierte er nun nach oben, zurück zu Shio. Doch als er vor der Tür ankam, zitterte die Schüssel leicht in seiner Hand. Wenn sie aufwachen würde, wie würde sie reagieren? Er hatte sie geküsst... auch wenn sie angefangen hatte aber.... wie war dieser Kuss gemeint gewesen.... nur entschuldigend oder....mehr?
Schnell schüttelte er seinen Kopf und trat dann ins Zimmer. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen, ehe er leise sagte: "Schlafend ist sie noch viel süßer..." und mit leicht rotem Kopf ging er zum Bett und stellte den heißen Eintopf auf das Nachtkästchen daneben, ehe er sich einen Stuhl heranzog und darauf wartete, dass sie aufwachen würde.

Der zornige Hund kratzte an der von Ketsumo zugeschlagenen Tür und knallte auch irgendwann ohne wirklich nennenswerten Schwung mit dem Kopf dagegen, doch es half nichts. Enttäuscht von sich selbst und trauernd um seine Niederlage zog er sich unter die Fleischbank zurück, wo ein paar Gesellen nicht gründlich genug aufgewischt hatten. So erfreute er sich an staubigem und bereits übel riechenden Hammelhaxenresten, die er sich als Trostpreis einverleibte. Doch seine Rache würde kommen. Und diese Rache war näher, als der junge Mann vielleicht vermutet hätte. Mit einer Mischung aus Angst und Freude betrat er wieder das Zimmer, in dem Shio seelenruhig schlief. Den Kampf gegen die Müdigkeit, um Ketsumo noch zu begrüßen und ihm danken zu können, hatte sie kurzerhand verloren. Doch aufgeschoben war nicht aufgehoben.
"Lassss deine dräckigän Finger von der cholden Jungfrau, Jungchen... oder es setzt was", knurrte es von oben und auf dem schmucklosen Leuchter saß eine kleine Gestalt auf vier Beinen, die einen zischenden Akzent mit rollendem "R" besaß. Kurzerhand sprang sie von ihrem Posten weg und landete auf dem Bett neben Shio. Es war Glöckchen. Fauchend machte der Kater einen Buckel und blitzte Ketsumo feindselig an.
"Strrreichel mich... wenn du dich traust", miaute der kräftige, statt füllige Stubentiger und zog die Augen kampfbereit zusammen.

Erschrocken sah er sich um und bemerkte dann einen Schatten, welcher von oben herab auf Shios Bett sprang. Sofort änderte sein gesichtsausdruck von überrascht, auf zornig um dann wieder auf vorheriges umzuwechseln. "G...G...Glöckchen?" flüsterte er leise. "Scheiße.... etwas stimmt hier wirklich nicht ganz. Erst Kentaro udn nun du? Shio wird das nicht aushalten...." Panisch sah er sich um und wusste nicht was er tun sollte.
"Bitte....bitte geh wieder.... ich...ich will nicht dass sie vollkommen verrückt wird nur weil hier einige Leute so aussehen wie ihre Familie. Bitte. Ich werde mit ihr auch nichts anstellen versprochen aber bitte geh wieder und lass dich nicht von ihr sehen, denn sonst hält sie dich für ihren Stubenkater, was vielleicht kurze Zeit gut gehen würde, aber dann wieder schlecht aussehen würde, für ihre Nerven, also bitte geh..." in seinen Augen stand die Panik geschrieben, die er soeben um Shio´s geistige Gesundheit hatte, wenn sie Glöckchen sehen würde und vor allem ihn sprechen hören würde.

Glöckchen sah Ketsumo mit einer Mischung aus Überraschung und Erheiterung.
"Is weiß ja nicht, wen du mit Glöckchän oder so meinst, aber ich werde diese holde Jungfrau und deren Unberührtheit verdeidigen bis zu meinem Dot!", fauchte Glöckchen schließlich, ehe er sich an Shios Seite einrollte und den Jungen aufmerksam anblitzte. Eine falsche Bewegung und die vierbeinige Hölle auf Erden würde losbrechen.
"Winstoan! Winstoan!", hörte man plötzlich im Gang draußen jemanden schreien und das Kläffen eines Ketsumo allzu bekannten Hundes schallte durch den Wohntrakt, während Glöckchen senkrecht in die Luft stieg und mit Klobürstenschwanz und aufgestellten Nackenhaaren zum Fenstersims hopste.
"Du hassst mis nie gesehen und dass hier iste nie passiert, Amigo. Dosvidanya", sprach der Kater zu ihm und verschwand in genau dem Moment, als ein gewisser Hundeschädel dumpf gegen die Haustür prallte. Dann wurde es still und das Kratzen und Winseln begann. Was so harmlos klang, beinhaltete aber auf Hündisch die Worte "Rache! Rache!". Shio öffnete langsam die Augen und sie sah die Person, von der sie es sich am meisten erhofft hatte, sie als Erstes zu sehen.
"Uuh... mein Kopf brummt zwar etwas, aber... hey. Geht es dir wieder besser?", fragte Shio verschlafen und lächelte Ketsumo freundlich an. Freundlich, nicht verliebt. Letzteres hätte nur ein Hellseher entdecken können.

Sein gesichtsausdruck wurde sofort wieder weicher, als er merkte, wie Shio sich regte und dann ihre Lider sich flatternd öffneten. "Kümmer dich nicht immer zuviel um mich. Ich hab schon schlimmeres durchgestanden, wenn auch mit weniger fürsorge von weiblichen Händen." //und Lippen// fügte er in Gedanken hinzu und grinste breit. "Aber jetzt setz dich erst mal hin, ich hab was zu Essen besorgt und mich dafür gegen ein mächtiges Tier stellen müssen." schilderte er das Geschehen mit dem Hund wobei der satz vor sarkasmus nur so strotzte.
Vorsichtig legte er eine Hand unter ihren Rücken und schob sie langsam in eine Sitzposition. Dann nahm er die Schüssel und den Löffel und hielt beides in der Hand, wobei er erst rot anlief, es sich dann aber doch anders überlegte, als das, was sich soeben in seinem Kopf zusammengereimt hatte und ihr zitternd die Schüssel übergab. "Komm erstmal wieder zu Kräften, nachdem du wahrscheinlich die halbe Nacht einem Trottel beim schlafen zugesehen hast."